Google+ Games ... aaand other accidents: The Night of the Rabbit

Dienstag, 25. Juni 2013

The Night of the Rabbit



Auf den Spuren von Lewis Carroll

Ein halbes Jahr später - ein neues Daedalic-Point-and-Click Adventure - YEEEEEEEEEEEEAH! Seit einigen Jahren beweist nun schon das Hamburger Entwicklerteam, wer hier den Knüppel der Adventure-Vorherrschaft in Deutschland erhaben und konkurrenzlos schwingt!
Die Anfang der Jahrtausendwende eingetretene Armut dieses alten, meist aber sehr traumhaften einst von LucasArts definierten Videospielgenres ist heute schon längst wieder Geschichte und die mouse-only-gesteuerten Rätselgames sind bei Spielern seit geraumer Zeit wieder hoch im Kurs - und Daedalic beweist nicht nur allgemeines Designerkönnen in Spielen wie "The Whispered World", "Edna bricht aus" oder der "Deponia"-Serie, dass Optik und Akustik sowieso Story stimmen - nein, auch das Kernelement eines jeden Adventures - der Humor - zieht ebenfalls widerstandslos mit.

Nach dem zielsicheren Jokedauerfeuer "Chaos auf Deponia" Ende letzten Jahres bekommen wir nun wieder ein völlig neues Universum (siehe auch: Schwarze Auge: Satinav's Ketten oder A New Beginning) serviert, die - kleiner Spoiler - auch hier mit dem Finale andeutet: "Wenn ich mich gut verkaufe, mache ich ein Baby und nenne es Sequel." Na das ist ja mal eine interessante Meldung! Schließlich begibt sich 12-jährige Held "Jeremiahs Haselnuss" in eine geheimnisvolle Märchenwelt - und wird vom Hasenzauberer "Marquis de Hoto" auserwählt, um zu einem Zauberer ausgebildet zu werden und auch ganz Mauswald vor einer drohenden Gefahr zu retten.


Die Story - soweit so klassisch - weiß nicht nur Alt, sondern vor allem auch die jüngeren Gemüter unter uns zu gefallen - so quietschbunt und fabelhaft sieht die Welt aus, jedes Panel unheimlich liebevoll und hochkarätig designt, fügen sich sehr liebe Charaktere nah aneinander. Für das Design zeichnet sich die junge "Olga Adriyenko" verantwortlich, die auf ihrem Blog auch ausführlich darüber postet. Dass sie etwas von Kunst versteht, zeigt nicht nur ihr Webauftritt, sondern auch ihr Deviantart-Channel. Wie ihr seht, ist also nichts am optischen Inhalt auszusetzen, der sich nahtlos in den Daedalic-Qualitätsstandard einreiht.

Nur einen Fehler dürft ihr nicht machen: Das Game auf dieselbe humorige Stufe setzen wie "Chaos auf Deponia".

Der Humor kommt hier nicht am Laufband, dafür aber schon gezielt daher. Ein wenig mehr hätte trotzdem nicht geschadet.

Dass solch gigantische Erwartungen fehl am Platze sind, zeigt auch schon der hoffnungslos underratete Test der Gamestar - da hat das Spiel läppische 71 % abgestaubt und wurde eher als "Rückschritt" deklassifiziert als es als eigenständiges Kunstwerk anzusehen. Jeremias kommt natürlich, wenn auch ein klein wenig überspitzt ins Feminine abdriftend (Stichproben: "Thihihihi" oder "Uuuuui, die ist aber niedlich."), als 12-Jähriger noch völlig unberührter kleiner Fratz ganz anders rüber als der freche selbstsüchtige, schon erwachsene Rufus. Ein Kind lebt halt in seiner eigenen Zauberwelt - und betritt hier offensichtlich auch eine ganz reale. Und wie es eben in Disneyfilmen so mit den Kulleraugenträgern ist, so treffen wir auch verstärkt auf übliche personifizierten Tiere wie einen sprechenden Frosch, ein Igelbrüderpaar oder allgemein durch die Mausstadt vorherrschende Mäuselinchens und Mäuseriche.

Was diese dubiosen Gestalten wohl gerade verzapfen?

Schade, dass aber wenig einzigartige Sympathieträgerfiguren entstanden sind, die man immer und immer wieder hören und sehen will. Wenn ich so genau darüber nachdenke, wird mir nur Herr Kirchenmaus mit seinem stummen Junior lange im Gedächtnis bleiben.


Fantastisch, wie der alte Mäuseherr ein klasse Redner und Verkäufer ist und davon überzeugt ist, dass sein Sohnemann mal erfolgreich in seine Fußstapfen treten wird (damit er selbst Urlaub in der Karibik machen kann). Junior aber selbst steht zwar immer neben ihm, schaut aber ausdruckslos in die weite Ferne und rührt sich nicht ein bisschen - sagt nie was, soll aber anscheinend ungemein viel Geschick haben und sehr schüchtern sein. Herrlich das mit anzusehen!
Zweite mögliche tolle Figur ist noch der mürrische Hasen-Gartenbesitzer, der ebenfalls wie in Chaos auf Deponia (dort Charakter "Goon") von Erik Range aka Gronkh vertont wurde → Proof hier:



Der ist herrlich launisch und weiß mit seiner Miesepetrigkeit gut zu gefallen. Doch das war's im Prinzip auch schon mit den tollen und einzigartig lustigen Charakteren. Wie angesprochen hält sich der Humor des Spiels auch recht in Grenzen, schillert hier und da immer mal ein wenig auf, enttäuscht jetzt aber hingegen auch nicht mit seiner übermäßigen Abwesenheit. Dazu ist das Setting einfach zu hübsch, magisch und interessant - dazu noch ideenreich.

Genial designt: Euer Inventar. Links unten befinden sich Main Buttons wie "Speichern" oder "Tagebuch". Am Kreis rechts (und später nach oben hoch) befinden sich wichtige Hauptgameplayfunktionen. Unten links reihen sich später am Zauberstab die magischen Künste farblich auf.
Mit dem lilanen Zauber können wir mit tierischen Steinstatuen sprechen.

Immerhin erlernt ihr nach und nach weitere Zauber (, die ihr in kleineren individuellen 2-Screen-Arealen kennen lernt) und könnt dann später mit Felsen sprechen, Pflanzen wachsen lassen, Fuchslist oder Hoffnungsschimmer einsetzen.
Schade aber, dass dieses Feature arg rudimentär eingesetzt wurde und ihr wenig Gebrauch davon machen müsst. Wenn, dann gern fast einmalig nachdem ihr sie erlernt habt (als Beweis sie verstanden zu haben ^__^).


Des Weiteren erlernt ihr irgendwann noch den Tag zur Nacht zu machen, habt zwar teilweise deutliche Unterschiede der Tätigkeitsabläufe anderer NPCs, doch so richtig wird auch dieses Feature nicht eingesetzt, da Jerry selbst häufig schon mit "Das mache ich lieber tagsüber." die Lösung kommentiert. Auch die integrierte Rätselhilfe ist keine, sondern eher ein Hauptaufgabenindikator, der sich eh schon schriftlich im Notizbuch befindet, wo alles fein säuberlich und vorbildlich dokumentiert wird.


So könnt ihr via Zauberspruch euren Mentor aufrufen und euch einen Tipp zur aktuellen Mission geben lassen. Dass dort leider nur sein Gebrabbel von vorhin wiederholt wird und nicht (beispielsweise Stück für Stück) die Lösung freischaltet, sind weitere verschenkte Punkte.
Generell sind die Rätsel recht einfach, doch an mancher Stelle ein wenig durchsichtig.
Warum beispielsweise klebt mein Spinnennetz am Gabelast nicht von alleine?
Und warum braucht es ausgerechnet Rübensirup als Klebemittel, das eh nur durch einen andockbaren Zapfhahn an einer Riesenrübe extrahiert werden kann? ARGH! ^__^


Abgesehen davon wird hier aber generell kein großartiger Stilbruch begangen, sondern von mir nur auf hohem Niveau kritisiert und Fehler aufgezeigt, die dem einen oder anderen vielleicht doch ins Gewicht fallen können.

Kleinigkeiten, die ich mir zusätzlich anders gewünscht hätte, sind das Cover, das mehr den Hasen als Jeremiah in den Vordergrund rückt und die alte, viel coolere Vorlage:


verwirft, was angesichts des neuen Titels "The Night of the Rabbit" anstatt "Im Bann des Zaroff" zwar gelungener (kommt erst im Finale zur Sprache), doch ein kleiner Schnitzer ist, der nicht hätte sein müssen. Auch wünsche ich mir, dass beim Nachfolger die Locations häufiger und dauerhaft wechseln.


Von Anfang bis Ende ist man quasi nur im Mauswald unterwegs - schaltet zwar verschiedene neue Bereiche nach und nach frei, doch läuft gern immer dieselben Wege ab (ihr könnt zwar auch die Strecken mit dem Froschkurier schneller zurücklegen - aber meist sind die Zielorte nur 4 Doppelklicks entfernt, dass ich zu faul war den Knackfrosch aus dem Invetory zu holen und zum nächsten Posthorn zu rennen). So richtig verändert sich optisch nichts gewaltig und auch die kleinen Ausflüge woanders hin machen Spaß, hätten aber länger sein dürfen. Ich bin ein großer Fan von Schauplätzen, die den Spieler zu einer Reise einladen, wo man x Orte kennenlernt und am Schluss denkt: "Mann, wenn ich so darüber nachdenke, habe ich bestimmt die halbe Welt bereist!"

Zuweilen dachte ich, dass plötzlich der Story-Kern streng moralischer Natur daher kommt (A New Beginning)und auf bestehende Öko-Probleme hinweist - was dann entweder a) scheinbar wieder verworfen wurde oder b) stark zwischen den Zeilen an anderen Stellen trotzdem noch durch Sinnbilder weitergetragen wird. Was meint ihr?

Tatsache ist aber, dass das Spiel herzerwärmend gut und in einem wirklich richtig genialen Showdown endet (ich meine hier nicht die tatsächlich letzte interaktive Szene, sondern die vielen kurz davor) und anschließend sogar noch die Geschichte restlos und wirklich eindeutig aufgeklärt wird - so wie man sich das gottverdammt noch mal in JEDEM Spiel wünscht.

Erst nach den anfänglichen Spielminuten wird die Hotspotanzeige eingeführt. Sehr schön.

Toll ist außerdem, dass Erfolge für bestimmte Tätigkeiten integriert wurden, die Hotspot-Anzeige sogar zum Gameplay-Inhalt wird und storybezogen im Laufe erst freigeschalten und erklärt wird (Bravo!) und es sogar wimmelbildartige extrasammelbare Dinge wie "Tautropfen", "Spielkarten", "Sticker" und "integrierte Hörbücher" gibt, die gut als "Gute Nacht Geschichte" für Kinder dienen. Klasse!

Errate, was für Karten das Gegenüber hat - und ziehe beim Treffer seine ein und sei nochmal dran. Liegst du falsch, nimmst du eine vom Stapel. Wer die meisten Quartette hat, gewinnt.

Auch das Ingame-Kartenspiel ist eine nette Idee, die ich so noch nirgends gesehen hab. Quartett! Einfach zu verstehen, aber nicht unbedingt einfach zu meistern! Für welche, die nicht auf sowas Lust haben, ist es innerhalb der Story niemals Pflicht. Da hat Daedalic glücklicherweise an alle gedacht.




Fazit:
Wer damit klar kommt, dass der Humor herunter geschraubt ist, Jeremiahs ein wenig weiblich rüber kommt und die Locations zwar unheimlich hübsch, aber nicht allzu abwechslungsreich sind, bekommt ein gewohnt gut vertontes und schönes Märchenadventure, das eine neue Reihe einleitet und mit einer netten Gute Nacht Geschichte zu unterhalten weiß. Die Spielbarkeit ist gewohnt gut und die insgesamten Ideen (vor allem beim Ende) herausragend. Nur Übergänge in spezielle Animationen, Laden von Screens, kurzzeitiges Einfrieren des Mauszeigers und allgemeine Performance-Probleme muss Daedalic ENDLICH in den Griff kriegen, da die sich - im Vergleich zu anderen Adventures - wie ein roter Faden durch sämtliche Games ziehen. Künstler haben sie scheinbar, aber auf Performance getrimmte Coder nicht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen