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Mittwoch, 15. Februar 2012

Dear Esther




Liebe Esther,

... ich schreibe dir zuliebe jetzt ein Game-Review, in dem ich dich - das ursprünglich als Studienprojekt gedachte First-Person-Game - als kleine Unverschämtheit 2012 tadele.
Die Idee war an sich ganz gut: erstmals 2008 als Source-Mod (Half Life 2-Engine) wurde es kostenlos veröffentlicht und basierte auf der Idee ein Spiel zu entwickeln was fern von Waffen und Gegnern auskommt. Ein Spiel, dessen Tempo der Spieler selbst bestimmt.

Und nun wurde vom Entwickler, also den Studenten, namens "thechineseroom" ein grafisch aufgepepptes Remake, was vermutlich inhaltlich gleich ist, auf Steam für knapp 8 € veröffentlicht. 8 € für 2 Stunden Gesamtunterhaltung bei dem linearen Singleplayergame? Angesichts mancher Vollpreisspiele stimmt vielleicht das Verhältnis von Preis und Leistung, doch wurde ich persönlich wenig unterhalten.
Dass ich für das Geld keinen Kracher erwarte, ist klar - und "Kunst" ist vielseitig interpretierbar, doch was hier abgeliefert wird, kann selbst vom wortgewandtesten User nicht als "Kunst" aufgewertet werden.

Nachdem man das Spiel gestartet hat, befindet man sich ohne Umschweife an einer Küste auf einem Steg nahe einem verlassenen Haus - mit Blick auf's Meer wieder. Man hört, vermutlich vom Protagonisten, einen gedanklichen Monolog, manchmal auch klingend wie aus einem Briefe vorgelesen, Textphrasen, die die Landschaft oder andere Zustände beschreiben. Da ich an der Stelle noch halb erschrocken vom plumpen Einstieg am Herausfinden des Sinns des Spiels war, hörte ich wenig aufmerksam zu - und verstand nichts.

Für mich ergaben die Passagen keinen Sinn - und auch die Tatsache, warum ich auf der Insel, die zwar grafisch malerisch in Szene gesetzt, aber trotzdem auf Basis der Source Engine programmiert wurde (was übrigens sowohl am Menü als auch Kameraneigungen beim Sturz aus großer Höhe, usw. bemerkbar wird), herumstromere. Mit einem unheimlich schleichenden Tempo steuere ich aus der Ego-Ansicht den Charakter durch die Welt, höre dem Meeresrauschen zu und ... langweile mich zu Tode.
Hier und da gibt es Abzweigungen - falls sie in eine Sackgasse führen, gibt's einen weiteren kurzen Gedankengang - den Weg zurück darf man aber fast einnickend bestreiten. Auch Stürze aus großer Höhe sind kein Problem: ein kurzes verstörend wirkendes Bild, ein "Come back" aus weiter Ferne und PLUMPS - könnt ihr nahe des Fauxpas' wieder weiter...-wandern...

Lustig ist auch die Tastaturbelegung: außer WASD, gibt's nur noch den Linksklick zum Zoomen, falls man etwas mal näher betrachten möchte. Skriptsequenzen oder NPCs sucht man vergebens.



Fazit:
Schade. Die uninspirierte Story und das unglaublich langsame Lauf"tempo" sind Aspekte, die sich mit dem verhältnismäßig hohen Preis von 8 € vermischen. Für 2 Stunden schnarchige Unterhaltung verschwende ich nicht meine Lebenszeit - lieber ein echtes Buch aufschlagen, bei dem man sich die Landschaft selbst gedanklich generiert.

2 Kommentare:

  1. Danke für die Review - zum Glück sind Geschmäcker verschieden. Mich hat das Spiel 2 Stunden bestens unterhalten. Und doch: Man kann es Kunst nennen. Du kannst dir im Museum auch eine vergammelte Kloschüssel (München) anschauen und sie ist unbezahlbar. Aber der Vergleich passt nicht, denn hier war für mich die Kunst spür- und erlebbar. Die Geschichte findet im Kopf statt und wird lebendig durch malerische und beeindruckende Landschaften und Stimmungen. Wer ein Museum geniessen kann oder auch mal einfach eine halbe Stunde lang eine Aussicht oder eine Landschaft betrachten kann, dem könnte auch dieses "Spiel" zusagen. Auf das Erlebnis muss man sich halt einlassen können. Als Adrenalin-Junkie oder Berufszyniker wird das freilich kaum gelingen. Es ist kein "Spiel" für jeden. Aber wer es schätzt, wird begeistert sein. Ich glaube zwischen totalem Fragezeichen und Begeisterung gibt es bei diesem Spiel kaum etwas. Gruss, Leonardo

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  2. Vielen Dank für deinen Kommentar!

    Ich kann es verstehen, dass das "Spiel" natürlich auch bestimmte Zielgruppen anspricht. Vielleicht schlägt es eher in die Kerbe "Adventurefreunde", zu denen ich mich auch zähle, aber oftmals weniger Geduld habe nur zum Zuschauer degradiert zu werden, wobei es auch Ausnahme gibt (Metal Gear Solid Reihe).

    Naturliebhaber bin ich aber dennoch - und so begeistert war ich auch auf den ersten Blick bei den Screenshots von Dear Esther. Aber leider ist's - wie du schon sagtest - kein "Call of Cthulhu" oder "Penumbra" / "Amnesia", sondern eher ein komischer Versuch ala "The Void", was für mich angesichts des Preises eine Unverschämtheit ist und seinen Charme (ursprünglich Mod) verloren hat.
    Kommerzialisierung im Gegenzug für wenig getaner Arbeit ist eher frech.
    Und somit ist - wie du selbst ein perfektes Bsp mit der Kloschüssel gegeben hast - Kunst Auslegungssache und für mich auch ein Stück Frechheit.

    Jedes Baby könnte Bilder "malen" - es braucht nur noch den richtigen Marketingexperten, der als Sprachrohr das Produkt wortgewandt verkauft - und es wird ein Kassenschlager.

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