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Mittwoch, 10. Juli 2013

Remember Me


Without any memories (feat. MC France RMX)

Ich vermute mal du, sehr geehrte Leserin / sehr geehrter Leser, sitzt bequem? Falls nicht: Hole dies bitte jetzt nach und atme ruhig ein - und wieder aus. Alles ist in vollkommener Ordnung und für einen Moment kannst du von all den momentanen Problemen loslassen.
Jetzt stelle dir einmal vor was für ein Mensch du wärst (oder auch nicht wärst), wenn deine Erinnerungen an Erlebnisse aus dem kompletten Jahr 2012 gelöscht werden würden?
Welche Taten, Erkenntnisse und Gefühle, die dir jetzt fehlten, würden dich wie verändern?
Wärst du humorvoller?
Trauriger?
Kindischer?
Hättest du deine Liebste vielleicht gar nicht kennen gelernt?
Wo stündest du jetzt beruflich / schulisch?
Und vor allen Dingen: Welche Freunde würdest du aktuell gar nicht als solche erkennen?
Was ist, wenn alles seit deinem 14 Lebensjahr bis heute fehlen würde?

Du siehst: Unsere Erinnerungen machen uns aus, lehren uns wer wir sind und machen uns stärker, intelligenter, fähiger mit bereits Bekanntem gut umgehen zu können.

Was ist zu Beginn mit Nilin wirklich geschehen? Das Spiel beginnt mit einer gern stilmitteltechnisch eingesetzten Amnesie und generiert gerade deshalb aber viel Spannung.
Sehr sehr hübsch, erinnert mich aber irgendwie an die damalige Half Life 2 Tech Demo von 2003: http://www.youtube.com/watch?v=IdhWeyffmBc

In der nicht mehr ganz so weit entfernten Zukunft von "Remember Me", dem Jahre 2084, ist in Neo-Paris der Segen bzw. Schrecken wahr geworden die Erinnerungen zu beeinflussen, zu löschen oder komplett neu zu strukturieren und so gar mit Falschinformationen zu bestücken, die der Wirt dann auch tatsächlich als seine Wahrheit annimmt. Verluste nahestehender Menschen könnten vergessen gemacht und eine schlechte Erfahrung zu einer selbstbewusstseinsstärkenden umgetauft werden. Zumindest ist das die Vision des Schöpfers von "Memorize", einem gigantischen Unternehmen, das es ermöglichte fast allen lebenden Menschen Zugriff zu einem speziellen Implantat zu geben, der "Sensation Engine" (kurz: Sensen), damit auch wirklich jeder Bürger seine Erinnerungen im globalen Netzwerk manipulieren und teilen lassen kann.
Natürlich gibt's da rebellische Gegner, die das Unternehmen stürzen wollen: sogenannte "Erroristen".


Und was macht ihr dazwischen?
Natürlich unter Anweisungen von einem mysteriösen "Edge", der euch nach dem Intro-Ausbruch aus Memorize-Gefängniszellen via Funk stets zur Verfügung steht, den Untergang dieses Monopols und der Gedankenkontrolle einleiten. Durch eine Amnesie kann sich aber die Hauptcharakterin "Nilin" nicht mehr an ihr damals erinnern und weiß nur, dass sie die beste Gedankenjägerin weit und breit war - was auch im Laufe des Spiels eindrücklich durch ihre Kampfkünste bestätigt wird.

Remember Me bringt allerlei Eigenbegriffe mit... dazu kann ich nur sagen: click and listen!

Der noch total unbekannte französische Entwickler "Dontnod Entertainment" hat hiermit sein Erstlingswerk abgeliefert, was sich im Großen und Ganzen auch überhaupt nicht vor der Konkurrenz verstecken muss und - wenn man auf oldschoolig lineare storystarke Actionabenteuer in genialem Zukunftssetting steht - auch das komplette Geld wert ist.
Einen Multiplayer sollte man allerdings nicht erwarten.
Das Gameplay lässt sich am ehesten mit "Batman: Arkham City" bzw. "The Amazing Spider-Man" vergleichen. Einziger Unterschied: In "Remember Me" gibt es KEINE Open World - auch nicht als minimalen Ansatz.
Der Vergleich hinkt aber trotzdem nicht, denn hauptsächlich kommt es auf Combo-Nahkämpfe an, die sich ähnlich wie in den beiden genannten Titeln spielen: Links- und Rechtsklick ist alles, was ihr zum Ausführen der Moves braucht, lediglich die Aneinanderreihung führt speziellere Moves aus. Ein Abwehren bzw. Kontern gibt's zwar nicht, dafür aber einen Ausweichsalto über oder weg vom Gegner - wer sich dabei richtig anstellt, kann seine angefangene Combo fortführen. Ein anderer Weg ist die dabei sehr nützlichen, im Laufe des Spiels weiter freischaltbaren, Special Abilities einzusetzen.
Zwischendurch wird in einem streng linearen Leveldesign ab und zu links und rechts in den Ecken nach Extras geschaut und hier und da auch mal geklettert oder minimal gerätselt, ansonsten ist der Ablauf straight und glasklar definiert.


Das Besondere, was "Remember Me" mit euch macht, ist euch eine umfangreiche, in Quicktime-Event-FREIEN ruhigen, optisch anspruchsvollen und sehr spannenden Cutscenes (sowohl ingame als auch Render) zu unterhalten. Die Geschichte ist dabei dauerhaft interessant und zu keiner einzigen Sekunde langweilig - und auch das Ende mündet sowohl in einem coolen Endkampf als auch in gelungenen Remixes. Was das ist, erkläre ich gleich.


Hauptfeature sind die Nahkämpfe mit den exklusiv zusammenstellbaren Combo-Attacken.

Das funktioniert so:
Ihr habt insgesamt 4 Combo-Dummies zur Auswahl, einen jeden davon schaltet ihr nach und nach im Spiel frei. Erst beherrscht ihr eine 3er-Combo, dann einer 5er, anschließend eine 6er und zum Schluss die fette 8er. Jede hat ihre eigene Vorgabe an fest platzierten Schlag- und Tritt-Dummies - das heißt:
Die 3er-Combo besteht IMMER aus 1x Schlag + 1x Schlag + 1x Schlag.
Die 5er IMMER aus 1x Tritt + 1 Schlag + 1 Tritt + 1 Schlag + 1 Tritt.


Diesen einzelnen Combo-Phasen könnt ihr spezielle "Impressions" zuweisen, also quasi "Eigenschaften". Davon habt ihr 4 zur Auswahl: "Schaden", "Heilung", "Special Ability Abklingzeitreduktion" und "Verlinkung" (verstärkt die vorhergehende Eigenschaft). Ihr könnt also beispielsweise die 5er-Combo so zusammenstellen, dass der erste Schlag und die ersten beiden Tritte für euch "Heilung" erzeugen (eure Lebensenergie steigt dann um einen gewisse fest definierte Anzahl), im Anschluss mit dem letzten Schlag / Tritt noch einmal eure Abklingzeit des Special Moves reduzieren oder final dicken Schaden austeilen. Wer dem Gegner aktiv Leid zufügen will, setzt auf rote Eigenschaftsbausteine. Spieler mit "auf Nummer sicher"-Drang setzen auf Heilung, nehmen aber auch länger andauernde Fights in Kauf.
Hier steht's euch frei was ihr wie wo einsetzt - trauriger Fakt ist allerdings: Später freigeschaltete Eigenschaften sind NICHT heftiger als die zu Beginn des Spiels freigeschalteten. Euch stehen dann quasi nur mehr für längere Combo-Dummy-Ketten zur Auswahl.
Anhand des folgenden Screenshots seht ihr meine Zusammenstellung, mit der ich effektiv arbeiten konnte.

Mit dieser Festlegung konnte ich mich bequem durch's ganze Spiel boxen.

Die 3er ist für Abklingzeiten gut, wenn ich Spezialeigenschaften in Endbosskämpfen (sehr löblich: Sie sind ALLESAMT einzigartig - mit Healthbar) zwingend und schnell wieder aufladen musste. Die Combo kann ruhig unterbrochen werden - das stört dann nicht so als wenn die Fähigkeit am Ende einer Kette platziert worden ist. Denn: Wenn Combos durch Feindschläge unterbrochen werden, muss man wie gewohnt von vorne anfangen - bereits geleistetes zählt aber schon. Somit wird bei korrekter Platzierung und Combogewöhnung das Spiel selbst auf "Normal" recht einfach - und geautosaved wird auch immer an fairen Stellen.

Nach dem Arnie-Film "Collateral Damage" (2001 - Stichwort: "Nine-Eleven") und dem shittigen Pop-Song "Die perfekte Welle" (2004 - Stichwort: "Tsunami") bitte ich ALL die Zartbesaiteten da draußen nicht das Kunstspiel wegen erst kürzlich brisanter Überflutungsthematik abzuwerten. ;)


Einzig und allein bei den starren Kletter- und Hüpfpassagen (steife, unrealistische und nach Schema F abgespulte Animationen) führen manchmal zum sofortigen Tod und Reload des letzten Checkpoints. Dumm: Wenn ihr an einer Kante mal los lasst oder Nilin in eine Schlucht (kann auch ein Wasserbecken sein) stolpert, wird ohne jeglichen Rückgabesound, ohne jegliches Kreischfeedback oder sonstigen Screeninfos einfach auf Weiß ausgeblendet und das war's dann. Würde man nicht hinschauen, hätte man gar nicht gemerkt tot zu sein. Sehr billig.


Zum Glück gewöhnt man sich schnell an die Klettereien, sodass diese auch bald nicht mehr negativ auffallen. Einziger Wermutstropfen für die, die es gerne nicht so offensichtlich haben: Noch krasser als die deutlich sichtbaren oder teilweise in Gelb dargestellten Kletterkanten in "Uncharted" befindet sich in "Remember Me" ständig eine optische Markierung, die man NIE verpassen kann und man IMMER weiß, wo's lang geht.

Zweites Alleinstellungsmerkmal sind aber die vorhin erwähnten Remixes. An bestimmten Stellen im Spiel (es gibt insgesamt nur eine Handvoll) müsst ihr Erinnerungen von Schlüsselfiguren verändern, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, das ihr so niemals erreichen könntet.
Beispielsweise müsst ihr einen Typen in der realen Welt aus dem Weg räumen, der in der Vergangenheit einen Streit mit seiner Frau hatte, welcher aber mittlerweile vermutlich schon ausgetragen ist.


Doch genau da schlagen wir zu! Wir müssen ihn also dazu bringen, dass er in der Streitszene seine Frau aus Versehen umbringt - und sich quasi, nachdem ihr diese Erinnerung so verändert in seinem Kopf zurückgelassen habt, anschließend selbst das Leben nimmt. Auftrag erledigt.
Die Erinnerung selbst läuft wie in einem Film ab, den ihr euch zu Beginn natürlich total entspannt anschaut, um euch einen Überblick zu verschaffen. Anschließend könnt ihr beliebig vor- und zurückspulen (geschieht cool mit Mauskreisbewegungen und gedrückter Maustaste zum Beschleunigen des Spulens - "Minority Report" (2002, Tom Cruise) lässt grüßen) - und dabei bestimmte Schlüsselobjekte beeinflussen: Waffe entsichern, Aschenbetter umstoßen, Sessel verschieben oder elektronische Geräte umkonfigurieren.

Remixes haben mit eindeutiger Sicherheit viel von Minority Report abgeschaut - und das auf positiv zu hervorhebende Art und Weise.

Jedes Objekt löst natürlich Butterfly Effect-mäßig ein bestimmtes Nachfolgeereignis aus, was entweder in Kombination mit anderen zum Erfolg oder Misserfolg führt. Hier wird aber nicht der weitere Handlungsverlauf bestimmt und man selbst auch nicht in Game Over Screens geleitet - nichts kann falsch gemacht werden und lediglich "Trial and Error" ist notwendig. Die Story bleibt strikt linear und eindimensional (was aber auch nicht schlecht ist).
Das Feature ist gut und stellt im Vergleich zu den abwechselnden Minirätseln im Spielverlauf selbst eine willkommene Abwechslung dar, die sich in die Nahkampf- und Klettereinlagen sinnvoll einreiht. Doch insgesamt hätte die Idee vielen Spielern besser getan, wenn eben doch Storyverzweigungen, mehr Beeinflussungsoptionen oder nicht nur nacheinander aktivierbare Elemente den nötigen Motivationsmehrwert gebracht.
Trotzdem eine feine Sache.


Genauso wie das Umgebungs- und Gegnerdesign. Neo-Paris führt euch zwar von tiefstem Boden / Untergrund quer bis hoch zu den Skylines, doch außerhalb der Stadt oder in natura spielt sich nie was ab. Meistens Hightechinnenareale in Abwechslung mit Ghetto-Vierteln, die aber in der punkigen Zukunftsvision nicht nur superhübsch, sondern auch liebevoll mit allen möglichen Kleindetails geschmückt sind. Nicht selten bleibt man genau stehen und schaut sich die Sachlage an - auch wenn Nilin's gelegentlich zwanghafte Schleichgangpassagen supoptimal für ein wiederholtes Durchspielen sind, macht das Abtauchen doch insgesamt richtig Spaß.

Ich weiß auch nicht wieso, aber diese nützliche Fähigkeit habe ich nur ein einziges Mal im ganzen Spiel eingesetzt - und zwar hier. ^__^
Zu geil: Wenn die Robot-Krieger brüllen, wird ein brüllender SW-Mund dargestellt. Geniale Idee.

Allen voran sorgen auch die unterschiedlichen Gegnerklassen dafür, dass die Motivation beibehalten wird: Von normalen Nahkampfwachen über Wandkrabbeler, fliegende Fernkampfeinheiten, Brawlerbots, im Kollektiv geschützte große Stürmer und Druckwellen-erzeugende Bösewichte gibt's auch Spezialeinheiten, die den erhaltenen Schaden komplett an einen zurückwerfen und man taktisch mit Nilin's Spezialitäten, Logik-Bomben (einfache Haftbombe am Gegner) oder Rage-PowerUps beispielsweise, agieren muss.


Eine Logik-Bombe in Livepräsentation: Here goes da BOOOOOOOOM!

Gegen die sonst unsichtbaren Anorexiekranken müssen wir Flutlichtstrahler aktivieren, die aber nur temporär leuchten.

Wachen mit Fernkampfoption sind begrenzt - sowie die eigene Kraft das gegen sie einzusetzen. Jeder Schuss aus dem "Handgelenk" will wohl eingesetzt werden (bspw. gegen Widersacher mit Schild), lädt sich zwar von selbst auf, ist aber aufgrund dieser Wartezeit und der Konzentration auf die Faust der Gerechtigkeit stark zweitrangig.


Schießen, Türen öffnen, Vorrichtungen justieren oder electric power transporting = Euer Armgelenktool kann vielseitig eingesetzt werden.

Die Gegnerartvielfalt ist zwar optisch begrenzt (es gibt nur Memorize-Wachpersonal und den Mutantencorps), von den Eigenschaften her aber schon schön gestaltet.
Wer seine Fokusanzeige (zum PowerUp-Nutzen) oder die Healthleiste maximieren will, muss im Schlauchleveldesign nach links und rechts gucken, um Upgrades oder Extra-Backgroundinfos zu erhalten und nutzt dabei nach Belieben herumstehende Hinweistafeln (, die lediglich recht hilfreiche Tipps für Dummköpfe enthalten).

Ei Nilin, such' fein das Stöckchen. Wo isses hin? Ja, wo?
Schaltet ihr pro Absolvierung eines Kapitels frei: Ausnahmsweise attraktive Artworks.

Nach 8 Stunden ist der Spaß rum - hat dafür aber sehr gut unterhalten. Auf Deutsch nicht durchgehend optimal lokalisiert (erinnert euch Nilin auch an "Kristen Stewart"?), dafür aber in Englisch auch nicht bedeutend besser. Wer ein Blick auf die morgen startenden


hat, kann eventuell ein unschlagbares Angebot abgreifen - für aktuell 40 € ist's noch zu teuer.





Fazit:
Optisch und designtechnisch äußerst genial wird hier eine sehr interessante Geschichte erzählt, die einige Features mit sich bringt, die bisher kein bzw. im Detail wenig vergleichbare Spiele vorzuweisen haben: Combos zum Selbstzusammenbauen und Remixen von Erinnerungen als eine Art interaktiven hin- und her spulbaren Film. Dazu kommt noch ein befriedigendes Kampfsystem, gute Gegner und viele Details, die die Welt authentisch machen. Blöd aber, dass die absichtlich verbuggt wirkende Musik manchmal nervt, die Sprecher allgemein nicht die vorzeigbarsten, die Levels arg schlauchig und im Detail die Sprungeinlagen oder das Game-Over-Feedback dürftig sind. Für ca. 15 bis 20 € darf man gerne und ruhigen Gewissens zugreifen! Mirror's Edge lässt grüßen!

2 Kommentare:

  1. Ich war ehrlich gesagt direkt am Anfang bei dem Spiel skeptisch. Bereits bei den Trailern (ich meine ich hätte irgendwo mitbekommen das es ursprünglich als Arcade-Titel geplant gewesen sei), war ich der Überzeugung das es nicht allzu viel positives über das Spiel zu berichten gibt. Die Ansätze stimmen, die Optik ebenfalls. Jedoch muss ich enttäuschenderweise sagen, das die Erinnerungsszenen zu wenig und die Prügel-Action viel zu viel ist. Dazu ist das Spiel mit 5-7 Spielstunden viel zu kurz.

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  2. Grafik Top! Den zum Thema passenden Industrial-Sound finde ich auch in Ordnung. Story und Präsentation genial! Irgendwelche Schwachstellen? Leider schon... Die Sprachausgabe ist an vielen Stellen gut gelungen, an ebenso vielen aber auch total daneben. Noch schlimmer macht das die quasi nicht vorhandene Lippensynchronisation. Wo die Kämpfe am Anfang noch Spaß machen, ziehen sie sich später nur noch unnötig in die Länge und verkommen zu reinem Knöpfchen drücken. Ein etwas ausgeklügelteres Kampfsystem hätte hier Abhilfe schaffen können. Wie schon angesprochen ist das Erinnerungen remixen wirklich ein tolles Feature, etwas mehr Interaktivität wäre aber tatsächlich schön gewesen.

    Fazit: Tolles Spiel, das aber mit so einigen Problemen/Problemchen geschlagen ist. Bitte einen zweiten Teil, aber dann besser!

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