Apokalypsen-Man
Ein gutes halbes Jahr ist es her, dass
Beenox mit „Edge of Time“ die Wandkrabbler-Fans mit einem neuen Spidey-Titel
auf den heimischen Konsolen versorgte. Und obwohl eben dieser Titel nicht für
den PC erschien, wohl aber der Vorgänger „Dimensions“, werden wir
seltsamerweise jetzt wieder mit einem Titel via Steam oder regulär als
Ladenversion für ca. 30 € auf dem geliebten Rechner beschenkt.
Dieser kam zwar Mitte
August, also ca. 2 Monate später als die Konsolenfassung heraus, kann aber
gleich mit zwei schlagkräftigen Argumenten überzeugen: Open-World und
Fortsetzung zum „aktuellen Kinofilm“.Der Einstieg wird euch in genreuntypischer Ego-Perspektive präsentiert. |
Connors wird erneut vom Feind zum Verbündeten zum ... |
Denn
wo die beiden anderen Titel noch ungewöhnlicherweise streng linear daher kamen,
orientierte man sich jetzt wieder an Treyarch-Qualitäten („Web of Shadows“, „Spider-Man
3“), lässt Stück für Stück Chaos in Manhattan ausbrechen und baut damit
Parallelen zum Grundstorykonzept von noch recht frischen „Prototype 2“ auf.
Wie
vorhin erwähnt wird nämlich die Story vom Film aufgegriffen und mit Spielstart
fortgeführt. Die Oscorp-Corporation hat einige durch den von Doctor Connors
hergestellten Virus infizierte Menschen eingefangen und untersucht sie aktuell.
Eins der "Highlights": Ratten zur Spurenverfolgung zweckentfremden oder... |
... riesige Spinnenbots mit Leichtigkeit bezwingen. |
Einer der wenigen interessant aufgebauten Levels: die Jagd nach Black Cat. |
In
einer interaktiven einmaligen Ego-Perspektiven-Szene lauft mit ihr als Peter
Parker mit eurer geliebten Gwen Stacey durch den Laborkomplex und werdet – wär
hätte das gedacht – Zeuge eines Ausbruchs aller Exemplare.
Die
infizieren natürlich Stück für Stück jeden Einwohner Manhattan’s (leider auch
Gwen), was Spidey zwingt die Echse aka Doc Connors aus
dem Gefängnis zu befreien und mit ihm ein Gegenmittel zu entwickeln.
Comics nicht nur sammeln, sondern auch lesen. Tolles Extra! |
Dass
bei Oscorp aber der Imageschaden durch den Kontrollverlust Minute für Minute
steigt und ihnen somit die Zeit aus dem Ruder läuft, sorgt dafür, dass der
Konzern nur noch eine Möglichkeit zur Dämmung des Ausbruchs sieht: die
Auslöschung des beliebten New Yorker Stadtteils. Somit haben wir zwei Parteien
mit denen wir es zu tun haben und einiges an Potenzial, was man hätte
ausschöpfen können.
Können,
ja – denn „Amazing Spider-Man“ macht zwar gameplay- und aufmachungstechnisch
vieles richtig, kann aber leider nicht mit einer spannenden / neuartigen Story
punkten.
Darf in keinem Spidey-Game fehlen: Deckenkrabbeln (Schleichangriffe gibt's auch!). |
Endzeitszenario
dieser Art hatten wir bereits in einem anderen Spidey-Game (Web of Shadows).
Die Cutscenes in Spielegrafik sind meistens unnötig langwierig und mit viel zu
viel verbalem Geblubber gefüllt, was nicht so recht zu einem Comic-Game passen
will. Auch fällt direkt zu Beginn auf, dass die Hauptcharaktere zwar den
filmischen Vorbildern ähnlich sehen, aber komplett andere deutsche Stimmen haben.
Vor
allen Dingen nervt aber Parker’s ständiges Sprüche-Klopfen, welches sich unter
aushaltbarem Niveau ansiedelt. Besonders beim Sammeln der insgesamt 700 Comics
merkt man schnell, dass der Sprüchepool nicht sonderlich groß ist und man
ständig dieselben Zeilen – immer und immer wieder – hört. Als ich letztens
Resident Evil Retribution im Kino sah (der Film ist schlecht), wurde ich auf
eine gewisse Art und Weise daran erinnert. Bitte gut übersetzen oder einfach
gute Inhalte liefern, wenn man schon cool und „prollig“ wirken möchte.
Total leichter Nebenauftrag: Spidey mit der CAM stets zentral halten. |
Zur
offenen Welt:
Diese
wird sämtlichen gewöhnlichen Erwartungen gerecht: ihr habt eine
Übersichtskarte, auf der sowohl alle Nebenmissionen als auch die nächste
Story-Aufgabe verzeichnet sind. In letzterer geht es meist in Schlauchlevels
durch Kanalisationen, Labore oder andere recht langweilig designte Komplexe.
Schade, da ich mir sicher bin, dass Beenox interessante Innenareale entwerfen
und mit abwechslungsreichen Aufgaben spicken kann. So schwingt und klettert ihr
meist durch teilweise absurd lange Luftschächte, zerstört Objekte, dreht an
Ventilen oder … kloppt euch halt mit beliebig austauschbaren Feinden. Zwar
haben einige Soldaten Schusswaffen, Stahlschilde oder explodieren bei längerem
Kontakt, doch alles läuft auf’s selbe hinaus: Draufkloppen, Ausweichen,
Finisher – bis alle hinüber sind. So langweilen die Kämpfe schnell, obwohl das
Kampfsystem von Batman: Arkham Asylum / City abgekupfert ist: so seht ihr via
Spinnensinn wer euch demnächst angreifen wird und könnt mit einfachem
Rechtsklick einen Konter starten. Alternativ schwingt ihr euch automatisch auf
Knopfdruck in Sicherheit, wenn der Spideysensor rot anstatt weiß aufleuchtet.
Cool: Spidey's Kleidung wird nach und nach zerfetzt. |
Werdet
ihr kritisch getroffen, wartet ihr eine Weile und schaut zu wie das moderne Auto-Healing-System
Wirkung zeigt. Nett ist aber, dass man Kampfspuren auf den Kostümen erkennen
kann und somit das teure Outfit Stück für Stück nur noch aus Rissen besteht und
offene Wunden zeigt.
Neue
Comboattacken, Healthupgrades oder sonstigen Schnickschnack könnt ihr durch
Belohnungen des Erfahrungspunktesystems erwerben: die Spinne erhält nämlich
durch Erfüllen von Aufgaben, Sammeln von Extraitems oder Kloppen von Gegnern
sogenannte Technikpunkte / EXP. Die TPs sind für den Kauf von speziellen
Fähigkeiten da, die nach einem Levelaufstieg erhaltenen Skillpoints zum Pushen
von Basicabilities. Da aber lediglich eine
Netzschwingcombo, weniger Schaden durch Kugeln und Schläge und
mindestens 6x-Multiplikator für Finisher wirklich sinnvoll waren, gab ich den Rest
der Punkte einfach nur aus, um sie ausgeben zu können. Wirklich nützliche
Sachen sind im Allgemeinen nicht dabei.
Stets ein tolles Gefühl... |
Was
seltsam und gleichzeitig gut daher kommt, ist die Steuerung: mit gedrückter
Shift-Taste aktiviert ihr den Netz-Modus und könnt somit erst mit zusätzlich
gedrückter rechter Maustaste schwingen oder Feinde mit der feinen Spinnenseide
einwickeln. Strange, dass man die Shift-Taste dazu benötigt, aber okay… cool,
aber schon fast zu einfach ist das System „Just push a button and something awesome
happens“: nicht nur im Kampf ist jeder einfach ausgelöste Finisher anders, auch
das Schwingen geht schnell und einfach von der Hand – hier gibt’s keine
Probleme. Nirgends schwingt ihr gegen, es sieht einfach immer atemberaubend
aus. Besonders in den Straßenschluchten kurz über dem Asphalt der Hauptstraßen
wirkt gerade das Zusammenspiel mit dem Blur-Effekt echt gut. Auch mittels
E-Taste könnt ihr einfach schnell dorthin gelangen wo ihr gerade hinschaut –
wer die Taste länger gedrückt hält, kann sogar (auch in der Luft) in Zeitlupe
die Destination Spots aussuchen.
Nur mit E könntet ihr in wenigen Minuten ganz
Manhattan durchschwingen. Toll ist aber, dass es so wirkt als könne Spidey nur
dann schwingen, wenn auch Grip für die Netze vorhanden ist. Im Central Park
geht’s natürlich nur knapp über dem Boden.
Cool: der Hauptmenüaufruf zersplittert den aktuellen Screen. |
Am
meisten Spaß macht das Spiel also außerhalb der Main Story, obwohl die
Nebenaufträge sich nach einiger Zeit schnell wiederholen. Entweder ihr
vermöbelt Gangster oder haltet Fluchtfahrzeuge auf oder filmt Spider-Man beim
Schwingen immer im zentralen Winkel oder liefert unnormal viele Infizierte in
speziellen Krankenzelten ab. Hier steckt leider zuviel Wiederholung drin.
Tante May sieht ziemlich jung aus... und setzt merkwürdige Smileys. Macht mich traurig :D |
Der Ladescreen wird mit teils ulkigen statischen Chatnachrichten befüllt. |
Auch
ist es schade, dass zwar Rhino, Scorpion und Black Cat ihre Auftritte haben,
doch die sind leider viel zu kurz geraten und man schreit als Spieler förmlich
nach mehr Cameos seiner Lieblingsantagonisten. So dreht sich die Story halt
immer wieder um Oscorp und Connors.
Fazit:
Jeder
Spidey-Fan darf beim irgendwann gesenkten Preis auf 20 € garantiert zugreifen,
holt sich dann aber gleich die PS3-Fassung, die sicherlich eine bessere
Steuerung und allerlei Trophies für Sammelkram mit sich bringt. Das Schwingen
macht hier in Manhattan besonders Spaß – so erfüllt man mit Freude die ganzen, sich
schnell zu sehr wiederholenden, arg leichten Nebenaufgaben, muss dann aber
abseits davon damit klarkommen, dass hier nur eine gewöhnliche langweilig
erzählte Story dargeboten wird, die zwar mit der Grundidee „Story im Anschluss
zum Film“ zunächst Interesse weckt, sich dann aber ein wenig bei der Umsetzung
verzettelt.
Die
Grundaufmachung ist aber ziemlich cool – so werden Blur- und Zeitlupeneffekten
oft und gerne stimmig eingesetzt und Spidey hat stets einen netten Move drauf,
wird perfekt von der Kamera eingefangen, nervt aber hin und wieder mit völlig
grenzdebilen Keller-Kalauern.
Als
besonderes Schmankerl gibt’s ein paar freischaltbare digitalisierte
Original-Comics auf Englisch zu bestaunen. Neben den überflüssigen
Konzeptzeichnungskram mal ein Inhalt, der eventuell für Hardcorefans als Kaufargument
überzeugen kann.
Wer
nicht Spidey-Fan ist, vernachlässigt die Spinnerei und greift auf vergleichbare
Open-World-Titel zurück.
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